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Jahressteuergesetz 2022: Sollte man noch im alten Jahr Immobilienvermögen auf die kommende Generation verschenken?

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» Anfang Dezember wurde das Jahressteuergesetz 2022 vom Bundestag verabschiedet (der Bundesrat muss allerdings noch zustimmen). In dem Gesetz sind die Bewertungsregeln für Immobilien bei der Erbschaft-/Schenkungssteuer (sowie in Ausnahmefällen bei der Grunderwerbsteuer) angepasst worden.  Tendenziell ergeben sich höhere Immobilienwerte, so dass die Steuerbelastung insgesamt steigen dürfte.

Die Rechtsänderung soll bereits zum 01.01.2023 in Kraft treten, so dass (wohl nicht ganz unbeabsichtigt) kaum noch Zeit für Steuergestaltungen verbleibt. In den Medien wird nun diskutiert, ob Immobilien noch schnell im alten Jahr an die kommende Generation verschenkt werden sollten. Der kommenden Rechtsänderung käme man damit sicherlich zuvor. Aber ist das wirklich immer sinnvoll? «

Frage 1: Spielt sich die Rechtsänderung überhaupt im steuerlich relevanten Bereich ab?

Die neue Rechtslage wirkt sich nicht unmittelbar auf die Höhe der Erbschaft- oder Schenkungsteuer aus. Vielmehr besteht eine indirekte Auswirkung dadurch, dass der Gegenstand der Schenkung – soweit es sich um Immobilien handelt – nun anders bewertet wird. In der Fachpresse wird davon ausgegangen, dass sich im Durchschnitt etwa 20% bis 30% höhere Immobilienwerte ergeben werden. Über die gestiegene Bemessungsgrundlage sind tendenziell auch höhere Steuerbelastungen zu erwarten. Hier besteht aber kein proportionaler Zusammenhang:

  • Soweit die Steigerung der Bemessungsgrundlage unterhalb bestehender Freibeträge (§ 16 Abs. 1 ErbStG) erfolgt, wird sich keine Mehrsteuer ergeben. In solchen Fällen wird regelmäßig kein akuter Handlungsbedarf bestehen.
  • Umgekehrt kann es in Ausnahmefällen – insbesondere im Bereich der Tarifgrenzen des § 19 Abs. 1 ErbStG – auch zu überproportionalen Auswirkungen bei der Steuer kommen. Soweit aber in den Medien zum Teil von Mehrsteuern in der Größenordnung von 500% (!) zu lesen ist, handelt es sich um nicht repräsentative Extrembeispiele.

Frage 2: Ist man überhaupt zu einer Schenkung bereit?

Am Anfang jeder guten Gestaltung steht nicht die Steuer, sondern der wirtschaftliche Wille der Parteien. Aus unserer langjährigen praktischen Erfahrung ist es selten eine gute Idee, alleine aufgrund der Steuer eine Gestaltung umzusetzen, die man eigentlich gar nicht will. Wer nun also nur aus Angst vor einer Steuererhöhung ein Verschenken seiner Immobilie in Betracht zieht, sollte sich dies nochmals gut überlegen.

Frage 3: Ist eine Schenkung wirklich der steueroptimale Übertragungsweg?

Die Immobilienübertragung im Wege einer Schenkung ist nur eine denkbare Möglichkeit, seine Immobilie auf die kommende Generation zu übertragen. Die Alternativen „Verkaufen“ und „Vererben“ können aber – je nach Lage des Einzelfalles – deutlich vorteilhafter sein. Zwei Beispiele hierzu:

  • Insbesondere bei Vermietungsobjekten im Privatvermögen könnte ein Verkauf (außerhalb der Spekulationsfrist des § 23 EStG) die Chance bieten, steuerfrei neues Abschreibungspotential für die kommende Generation zu kreieren. Diese Möglichkeit besteht bei unentgeltlichen Übertragungen (Schenkungen oder Erbschaften) nicht.
  • Bei dem selbst genutzten Familienwohnheim gilt: Vererbt man die Immobilie dem eigenen Kind, welches nach dem Erbfall dort selbst (für mindestens 10 Jahre) einzieht, können ganz erhebliche Steuerfreibeträge gewährt werden. Bei bis zu 200 m² Wohnfläche könnte die Immobilie (unabhängig vom Immobilienwert) sogar komplett steuerbefreit werden (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG). Eine Schenkung wäre hier also nicht steueroptimal.

Frage 4: Besteht im vorliegenden Fall wirklich kurzfristiger Handlungsbedarf?

Handlungsdruck besteht allenfalls dann, wenn sich die kommende Rechtsänderung absehbar und nennenswert auf die zu erwartende Steuerbelastung auswirken wird. Dies ist aber keinesfalls immer der Fall:

  • Die beschlossenen Gesetzesänderungen betreffen zum ganz überwiegenden Teil die Immobilienbewertung im sog. „Ertragswertverfahren“ und „Sachwertverfahren“. Wird die Immobilie gemäß der Bewertungshierarchie des § 182 BewG im sog. „Vergleichswertverfahren“ zu bewerten sein, ergeben sich nur geringfügige Änderungen, die regelmäßig keine aktive Steuergestaltung erfordern.
  • Ist mit einiger Sicherheit anzunehmen, dass bereits ein heute nach dem Bewertungsgesetz ermittelter Immobilienwert durch ein sachverständiges Immobilienwertgutachten ersetzt werden kann (§ 198 BewG), würde ebenfalls kein kurzfristiger Handlungsbedarf bestehen. Denn im Ergebnis kommt es nicht darauf an, wie hoch der Wert ist, der durch das Gutachten ersetzt wird.

Befindet sich die Immobilie in einem Betriebsvermögen, kommen noch weitere Aspekte hinzu:

  • Kann für das Betriebsvermögen absehbar eine vollständige Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG gewährt werden, ist der konkrete Wert des Betriebsvermögens – mithin also auch der Wert einer hierin befindlichen Immobilie – nicht entscheidend.
  • Der Immobilienwert kann sich allenfalls auf den Substanzwert des Unternehmens – nicht aber auf dessen Ertragswert – auswirken. Solange also ein ertragswertbasiertes Bewertungsverfahren den Unternehmenswert definiert (der Substanzwert fungiert hier lediglich als Wertuntergrenze, § 11 Abs. 2 BewG), wird die geplante Rechtsänderung regelmäßig ohne Auswirkung bleiben. Ausnahmen bestehen allerdings dann, wenn es sich bei der Immobilie um steuerschädliches Verwaltungsvermögen handelt.

Frage 5: Gibt es außerhalb der Schenkungsteuer Hindernisgründe, die einer Übertragung im Wege stehen?

Eine Schenkung kann vielfältige Interdependenzen zu anderen Steuerarten auslösen. Deshalb ist es unablässig, vor jeder Schenkung den jeweiligen Einzelfall dahingehend zu überprüfen, dass es nicht an anderer Stelle zu ungewollten Steuernachteilen kommt. Hierzu zwei Beispiele:

  • War die Immobilie ertragsteuerlich steuerverhaftet, zum Beispiel im Betriebsvermögen einer Betriebsaufspaltung, könnte eine isolierte Schenkung der Immobilie dazu führen, dass die stillen Reserven aufzudecken und mit Einkommensteuer zu belasten wären.
  • Bestanden hinsichtlich der Immobilie noch Sperrfristen, zum Beispiel solche nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG, könnte eine Schenkung als Sperrfristverstoß unbeabsichtigte Steuerfolgen auslösen.

Fazit: Sollte man jetzt noch in 2022 eine Schenkung veranlassen?

Aus unserer Sicht muss zunächst geklärt werden, ob sich etwaig höhere Immobilienwerte überhaupt im steuerlich relevanten Bereich bewegen werden (= Frage 1) und ob eine Schenkung grundsätzlich mit dem wirtschaftlichen Willen des Eigentümers vereinbar wäre (= Frage 2). Sodann stellt sich die Frage, ob eine Schenkung etwaigen Gestaltungsalternativen überlegen ist (= Frage 3) und ob die anstehende Rechtsänderung im Einzelfall wirklich ein kurzfristiges Vorziehen der Schenkung erfordert (= Frage 4). Schlussendlich wäre sicherzustellen, dass durch die Schenkung nicht an anderer Stelle ungewollte Steuernachteile ausgelöst würden (= Frage 5).

Bei fairer Betrachtung kann eine steueroptimale Immobilienübertragung nicht ohne eine eingehende und sachverständige Analyse des jeweiligen Einzelfalles sichergestellt werden. Pauschale Handlungsempfehlungen greifen hier jedenfalls zu kurz.

Wir stellen immer wieder fest, dass bei kaum einem Anlass mehr steuerliche Fehler gemacht werden, als im Zusammenhang mit Immobilienübertragungen. Deshalb raten wir, trotz der knappen Zeitspanne, nicht ohne eine vorherige steuerliche Beratung Immobilienvermögen zu übertragen.

Haftungsausschluss:

Bei der voranstehenden Mitteilung handelt es sich um allgemeine Informationen, die eine steuerliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen können. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir trotz sorgfältiger Recherche keine Gewährleistung für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Informationen übernehmen können.

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